Ziele der Selbstreflexion
Bei der Erarbeitung der Inhalte aus dem Online Lerntool eigenen sich Lehrpersonen folgende Kompetenzen an:
- Die Lehrperson ist in der Lage, persönliche Einstellungen, Werte und Normen zu Fragen von Beziehung und Sexualität zu reflektieren und sich kritisch damit auseinanderzusetzen.
- Die Lehrperson setzt sich mit der eigenen sexuellen Lebensbiografie auseinander.
- Die Lehrperson verfeinert die Wahrnehmung der eigenen Privatsphäre und wird dadurch für die Privatsphäre anderer sensibilisiert.
- Die Lehrperson setzt sich mit der Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen auseinander und ist durch die eigene Selbstreflexion in der Lage, auf die Interessen ihrer Schüler und Schülerinnen im Unterricht zu reagieren und entsprechend zu handeln.
Eine Lehrperson, welche sich zuvor ausreichend selber reflektiert und ihre Haltung ergründet hat, kann souveräner auf teils doch sehr unerwartete Kinderfragen reagieren.
Kinderfragen
Ist es nervig, die Periode zu kriegen?
Warum geben die Menschen nicht zu, dass sie Sex gemacht haben?
Wie fühlt sich Sex an?
Was macht am Sex Spass?
Wie wird man schwul oder lesbisch?
Muss man verliebt sein, um Sex zu haben?
Tut Sex weh?
Wieso werden oft Sexwörter als Schimpfwörter benutzt?
Beeinflusst die Haltung der Lehrperson die Antworten auf diese Kinderfragen?
Ganz klar ja! Somit hat die Selbstreflexion eine zentrale Funktion für die Professionalität, weil sie neben der Kontrolle und Absehbarkeit des Handelns auch die Selbstsicherheit im Unterricht stärkt. Die Auseinandersetzung mit den eigenen erfüllenden und belastenden sexuellen Erfahrungen macht das Erkennen der Ursprünge von Gefühlen und Bewertungen von Situationen möglich.
Werte, Normen, persönliche Einstellung
Beim Thema Sexualität zeigt man viel von sich selbst und ist daher in besonderer Weise verletzbar. Auf der anderen Seite ist es wichtig, dass offen über Sexualität geredet werden kann, weil nur so ein Austausch stattfinden kann, aber auch Ängste besprechbar werden. Im Kinderbuch „Klär mich auf“ wurden 101 Fragen von Kindern im Grundschulalter gesammelt und beantwortet. Dort lassen sich Beispiele für Ängste und Unsicherheiten von Kindern finden. Sie stellen Fragen wie etwa, ob man auch nicht in die Pubertät kommen könne, ob es nervig sei, die Periode zu bekommen, ob man beim Sex sterben könne, was man tun kann, wenn der Penis zu gross für die Scheide ist, ob es wehtut, wenn man schwanger ist, ob es schlimm ist, mit elf oder zwölf Jahren Kindern zu bekommen, ob beim Sex Krankheiten übertragen werden können und was eine Vergewaltigung ist. Diese Fragen der Kinder machen deutlich, wie wichtig es ist, die Bedürfnisse der Zielgruppe in den Mittelpunkt zu stellen.Dies wiederum kann eine Lehrperson in unerwartete Situationen bringen. Sind die Voraussetzungen für ein vertrautes Setting gegeben, kann es notwendig sein, spontan auf Themen einzugehen, die nicht im Lehrplan vorkommen oder die der Lehrperson peinlich oder unangenehm sind. In diesen Situationen ist die Haltung der Lehrperson besonders gefragt. Lehrpersonen sind somit im sexualpädagogischen Unterricht mit der Gestaltung und Handhabung der Kommunikation beziehungsweise ihrer Inhalte und mit dem adäquaten Umgang mit Werten und Normen besonders konfrontiert. Sie müssen in der Lage sein bei der Gestaltung von beziehungs- und sexualitätsbezogenen Lernprozessen ihr Kommunikationsverhalten adäquat anzupassen.
Biografiearbeit
Selbstreflexion und die Biografiearbeit gehören zu den wichtigen Bausteinen einer sexualpädagogischen Ausbildung. Die auszubildenden Personen sollten sich unter anderem damit auseinandersetzen, was sie selbst in ihrer Sexualität schon erlebt haben, welche Erfahrungen sie mit Beziehungen gemacht haben, wie sie aktuell leben, was die eigenen Werte und Normen sind, wie ihr Bild von Sexualität und Liebe aussieht oder wie sie sich als Frau oder Mann positionieren. Es ist wichtig, die eigene Position zu kennen und die Veränderbarkeit des eigenen sexuellen Begehrens im Laufe eines Lebens zu reflektieren. Das Risiko, sich in einer ideologischen Aufklärungspädagogik zu verfangen wird durch das Bewusstsein des eigenen Begehrens, der eigenen Identität und Werte verringert. Teil einer selbstreflexiven Haltung in Hinblick auf die eigene sexualpädagogische Tätigkeit ist das Wissen um die eigenen Fähigkeiten und Lücken. Es besteht kein Anspruch darauf, dass jede Sexualpädagogin oder jeder Sexualpädagoge bezüglich aller sexualpädagogischer Themen gleich kompetent sein muss. Wichtig ist aber, dass die Lehrpersonen die eigenen Kompetenzen erkennen und merken, bei welchen Themen sie eventuell Unterstützung benötigen.